Es wird. vorgestellt: Marc Steiner

Unser Präsident Marc Steiner ist als Richter am schweizerischen Bundesverwaltungsgericht tätig und Spezialist für Wirtschaftsverwaltungsrecht. Heute erfahren mir mehr über seine Rolle bei Es wird.

Marc Steiner (zvg.)

Hallo Marc! Danke, dass du dir Zeit nimmst für ein Interview. Wie bist du zu deinem Amt als Präsident des Vereins Es wird. gekommen?

Antwort Marc Steiner: Dafür ist unsere Geschäftsführerin Carmen Cepon verantwortlich. Sie hat mich zu einem gemeinsamen Mittagessen in der Militärkantine aufgeboten und rekrutiert. Ich wusste damals noch nicht so richtig, was genau die Vereinsziele sein würden. Aufgrund der Charakterstruktur von Carmen war mir aber klar, dass das kein linker Befindlichkeitspflegeverein werden würde. Vielmehr war mit einer gesunden Portion Handfestigkeit und Pragmatismus zu rechnen. Das was aus meiner Sicht ein klarer Anreiz, da mitzumachen.

Was ist deine Aufgabe als Präsident?

M.S.: Hahn im Korb spielen haben wir das genannt, solange der Verein sonst nur aus Frauen bestanden hat. Aber jetzt im Ernst: Erstens sind damit gewisse Repräsentationspflichten verbunden im Sinne von Begrüssungsansprachen usw. Zweitens, und das haben wir am Anfang unterschätzt, muss ich auch überwachen, dass vereinsrechtlich und in Bezug auf die Buchhaltung und Dokumentation alles so läuft, dass vom Handelsregister über die Bank, die unser Konto verwaltet, bis zu den staatlichen Stellen, die uns freundlicherweise unterstützen, alle zufrieden sind. Carmen mag das nicht immer, weil das aus ihrer Sicht manchmal unnötiger Transaktionsaufwand ist. Aber das ist nicht das erste Mal in meinem Leben, dass Zielkonflikte zwischen juristischer und betriebswirtschaftlicher Logik transparent werden. (Lacht.)

Welche Motivation steckt hinter deinen Engagements?

M.S.: Ich glaube, dass es eine zukunftsfähige Spielart von Kapitalismus gibt. Und das will ich irgendwie beweisen. Fakt ist aber auch, dass es dazu mehr systemchange braucht als von der Neuen Zürcher Zeitung angenommen. Das habe ich in einem Text mit dem Titel „Es gibt nicht bloss die Wahl zwischen Billigfleisch und Planwirtschaft“ (NZZ vom 5. Juli 2020) zu erklären versucht.

Du bist ein gefragter Experte auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit im öffentlichen Beschaffungswesen. Woher kommt dein Interesse an der Nachhaltigkeit, wie kam es dazu?

M.S.: Da gibt es verschiedene Initialzündungen. Sicher sehr prägend war eine Ausbildungsveranstaltung des Bundesamtes für Bauten und Logistik (BBL) zum öffentlichen Einkauf in Interlaken im Jahre 2001. Da wurde Eveline Venanzoni, die „grande dame“ der umweltfreundlichen Beschaffung und Mitarbeiterin des Bundesamtes für Umwelt, mit den Worten vorgestellt, was sie (über Lebenszykluskosten) erzähle, sei von der Direktion des BBL nicht gedeckt. Ich war total perplex und habe gedacht, das kann doch nicht wahr sein, was da gerade abläuft. Und daraus ergab sich dann letztlich die selbst gestellte Aufgabe, zu helfen, dass die Nachhaltigkeit zum Gesetzesziel des neuen Beschaffungsrechts wird.

Was ist aktuell dein wichtigstes Projekt / dein wichtigstes Ziel?

M.S.: Beruflich, also in der Rolle des Richters, geht es jetzt darum, zum neuen Beschaffungsgesetz erste Entscheide zu fällen, die helfen, die Grundgedanken des neuen Konzepts zu erklären und zu konkretisieren. Daneben hoffe ich durch Vorträge und Publikationen die mit dem neuen Gesetz transportierte Botschaft „Geiz ist nicht (mehr) geil!“ zu verbreiten.

„Mehr Grün in der Stadt“ ist eines unserer Projekte in diesem Jahr. Wir wollen Leute aus der Stadt motivieren und unterstützen, auf kleinsten Flächen wie dem Fensterbrett eigenes Gemüse, Kräuter oder Früchte anzubauen. Wie steht es um deinen grünen Daumen?

M.S.: Es geht so. Was geht sind Tee- und Küchenkräuter. Aber darüber hinaus hält sich meine Begabung in Grenzen. Aber diese Kräuter werden dann immerhin in der Kartause Ittingen eingekauft.

Verrätst du uns deinen liebsten nachhaltigen Ort in der Ostschweiz?

M.S.: Da ich mit Süssigkeiten ziemlich leicht bestechlich bin, würde ich etwa die Bäckerei und Konditorei Goldkind in St. Gallen erwähnen, aber da gibt es noch viele andere.

Welchen Tipp gibst du jemandem, der seinen Alltag ressourcenschonender gestalten will?

M.S.: Meistens werfen wir die Post von Migros und Coop achtlos weg. Aber wer eine Cumulus-Karte hat und die Cumulus Green-Bilanz anschaut, bekommt ein Feedback, ob sie oder er nachhaltiger einkauft als der Durchschnitt. Als Beschaffungsrechtler liegt mir natürlich jede Form nachhaltigen Konsums am Herzen. Wichtig ist, dass die Nachhaltigkeit als dynamischer Prozess verstanden wird. Mein Lieblingsrestaurant in Basel hat vor 30 Jahren zunächst mit Biofleisch angefangen. Dann kam als nächster Input die Frage, ob nicht Milch und Joghurt auf Bio umgestellt werden könnten. Und irgendwann wird klar, dass da – quasi wie von selbst – eine eigentliche Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt wird.

Was wird Dein nächstes Projekt?

M.S.: Aus dem Kampfmodus in so etwas wie Work-Life-Balance kommen. Im Moment fühle ich mich nach der Vergaberechtsreform immer noch wie ein Frontsoldat unter lauter Zivilistinnen und Zivilisten. Erich Maria Remarque beschreibt das sehr schön. So langsam gilt es nach den politischen Panzerschlachten zu verstehen, dass jetzt die entscheidende Schlacht geschlagen und ein ruhigeres Leben angesagt ist. Und die Biographie des amerikanischen Generals George S. Patton kann ich jetzt auch wieder unter dem Kopfkissen hervornehmen und ins Bücherregal stellen. Eigentlich bin ich ja aus ethischen Gründen vom Dienst an der Waffe befreit. Mir nahe stehende Menschen, die mich gut kennen, sagen, dass mir schon wieder etwas einfallen werde, um mich bis zum Exzess zu verausgaben. Mal sehen.

Herzlichen Dank für das Interview!